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Ein Berner will der beste Boxer der Welt werden

Angelo Peña bestreitet im Kursaal seinen ersten Profikampf. Der 27-jährige Berner mit Wurzeln in der Dominikanischen Republik verfolgt hohe Ziele – und hat sich sehr intensiv auf seine Karriere vorbereitet.


Wenn man sich mit Angelo Peña unterhält, merkt man bald, dass er anders ist als viele andere Schweizer Sportler. Er sagt geradeaus, was er denkt. Zum Beispiel: „Ich will der beste Boxer der Welt werden.“ Oder: „Ich habe im Ring keine Schwächen.“ Und: „Mein Ziel ist es, einmal alle Gürtel zu besitzen.“


Angelo Peña ist selbstbewusst. Er ist überzeugt von sich. Aber er ist kein Grossmaul. Der 27-Jährige ist freundlich, anständig, frei von Allüren. Im Gespräch antwortet er ausführlich, er ist humorvoll und dankbar, interessiert sich ein Journalist für ihn. Noch ist er ziemlich weit davon entfernt, der beste Boxer der Welt zu sein. Aber der Weg ist das Ziel. Und heute, am Boxing Day 2021 in Bern, startet seine Profikarriere. Jetzt geht es los. Oder um es mit den Worten Peñas zu sagen: „Das ist der erste Schritt nach ganz oben.“


Dass Angelo Rafael Peña, wie er mit vollem Namen heisst, einmal für die Schweiz boxen wird, wäre 1994 eine sehr abenteuerliche Vorstellung gewesen. Damals wurde er in Madrid geboren, und als er ein Jahr alt war, zogen die Eltern aus der Dominikanischen Republik zurück in die Heimat. Es ist relativ kompliziert, einen Überblick über die familiären Verbindungen Peñas zu bekommen, er hat eine riesige Familie mit mehreren Geschwistern. Angelo erinnert sich, wie er in der Dominikanischen Republik einmal in einem grossen Zimmer mit Matratzen für 30 Leute schlief. Als Achtjähriger kam Angelo in die Schweiz.


Das neue Leben in der Schweiz


Schon eher vorstellbar war, dass Angelo Peña einmal Boxer werden würde. Das Talent für diesen Sport wurde ihm in die Wiege gelegt. Der Vater, den er seit bald 20 Jahren nicht mehr gesehen hat, war ein starker Boxer. Auch die Mutter boxte lange Zeit wie viele Cousins und Brüder. Angelo hat es von allen am weitesten gebracht, sein Debüt im Berner Kursaal als Profi ist der Lohn für harte Arbeit und viele Entbehrungen, für zerstörte Hoffnungen und unbändigen Kampfgeist. „Ich habe nie aufgegeben“, sagt Angelo.


Seinen Willen bewies er bereits als Bub. Denn der Start in der Schweiz war für ihn schwierig, alles war neu und fremd. Die Kultur, die Kälte und die Küche. Das Land, das Leben und die Leute. Der achtjährige Angelo fiel auf, er war anders als die Mitschüler. Er trug Goldketten, XXL-Kleider, Zöpfli in den Haaren. Aber weil er in verschiedenen Sportarten begabt war, fand er bald Anschluss. Zuerst lebte er kurz im Berner Breitenrain-Quartier, in dem auch der Kursaal ist, später und bis heute in Ostermundigen. Angelo kehrte zuletzt auch wieder zu seiner Mutter zurück, um Kosten zu sparen und alles der Boxkarriere unterzuordnen.


Begabt in vielen Sportarten


Nach der Schule begann Angelo eine Lehre als Maler, merkte aber bald, dass sich die Arbeitszeiten nicht mit seinen sportlichen Ambitionen vereinbaren liessen. Er machte schliesslich eine Detailhandelslehre mit zeitlichen Freiheiten, danach arbeitete er in vielen Bereichen. „Ich habe fast alles gemacht“, sagt er schmunzelnd. Er war auf Baustellen und temporär als Polydesigner im Einsatz, weil er gerne zeichnet. Er verkaufte jahrelang Schuhe im Foot-Locker-Shop, seit einiger Zeit ist er bei Starbucks am Hirschengraben angestellt. Aktuell mit einem Pensum von rund 40 Prozent, damit genügend Zeit für das Training bleibt. „Ich habe nur ein Ziel“, sagt Angelo. „Ich will es als Boxer schaffen.“


Schon als Kind sei er voller Energie gewesen. Ein Ritual, um den kleinen Angelo zur Ruhe zu bringen, sei gewesen, vor dem Einschlafen mit ihm um die Häuser zu rennen. „Sonst wäre ich nie müde geworden“, sagt er. Früher spielte er auch viel Baseball, das ist in der Dominikanischen Republik wie das Boxen enorm populär. Später betrieb er lange Jiu-Jitsu, er war ein ordentlicher Fussballer und richtig gut im Kickboxen. Aber es war der Boxsport, der ihn am meisten faszinierte. Und so hörte er als 17-Jähriger mit dem Fussball auf – und mit 20, 21 auch mit dem Kickboxen, obwohl er dort auch einige Erfolge gefeiert hatte. Ab 2017 konzentrierte sich Angelo voll aufs Boxen, er schloss sich dem Boxing Kings Club in Bern an – und wurde von deren Chef Alain Chervet umfassend geschult. „Ich habe schnelle Bewegungen, kämpfe mutig und bin bereit, in jedem Fight alles von mir zu geben“, sagt Angelo. Er analysiere seine Gegner schnell, boxe vorwärts, verteidige sich aber auch gut, sei kräftig, ausdauernd und aggressiv. Es sind jene Fähigkeiten, die ihn glauben lassen, der beste Boxer der Welt werden zu können. Von 41 Kämpfen als Amateur verlor er nur sieben.


Der geplatzte Traum


Selbstredend gab es im Werdegang Peñas auch Schwierigkeiten. Eigentlich hätte er bereits mit 25 Jahren Profi werden wollen. Aber zuerst lockten die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Als diese wegen Corona verschoben wurden, wartete er ab, durfte dann aber ein Jahr später in diesem Sommer nicht teilnehmen, weil er den Schweizer Pass noch nicht erhalten hatte. Wegen der Pandemie hat er deshalb zwei Jahre verloren, zumal es auch schwierig war, anständige Kämpfe zu organisieren. Angelo trainierte fleissig weiter, verbesserte seine Kondition, ging täglich ins Box Gym. Und als auch dieses wegen des Virus geschlossen wurde, mietete er sich mit zwei Kollegen einen Raum und trainierte dort vor allem an Sandsäcken eisern weiter. „Ich verlor nie den Fokus“, sagt Angelo. „Und darauf bin ich stolz.“

Der Traum von der Olympiateilnahme platzte zwar. Aber nachdem er jahrelang die Schweizer Amateurszene dominiert hatte und dreimal nationaler Meister geworden war, fühlte er sich in diesem Jahr definitiv bereit für eine Profikarriere. Der Berner Boxpromoter Leander Strupler, auch Boxing-Day-Organisator, setzt auf Peña, die beiden besiegelten im Herbst ihre Zusammenarbeit mit einem Vierjahresvertrag. Strupler, Inhaber der führenden Schweizer Boxagentur „Swiss Pro Boxing“, möchte Angelos Karriere zügig aufbauen: „Ich sehe in ihm das grösste Potenzial aller Schweizer Nachwuchsboxer. Herausragend ist seine Bereitschaft, alles dem Leistungssport unterzuordnen.“


Sofort im Rampenlicht


Am 26. Dezember sind am Boxing Day viele Freunde und natürlich auch seine Freundin dabei, wenn Angelo erstmals als Profi in den Ring steigt. Viel zu verdanken hat er seinem Stiefvater Patrick Schaad, dem Mitinhaber des Restaurants Aarbergerhof in Bern, der Angelo in all den Jahren stark unterstützte. Peñas Lieblingsboxer ist der US-Amerikaner Errol Spence Jr., aber auch Joan Guzmán, eine Legende in der Dominikanischen Republik, inspiriert ihn. Er selber möchte werden wie Floyd Mayweather. Stundenlang analysiert Angelo die besten Boxer am Bildschirm, auch der grossartige Film „The Fighter“ mit Mark Wahlberg und Christian Bale hat ihn geprägt. Dort kämpft sich ein Boxer gegen viele Widerstände nach oben.


Der 171 Zentimeter grosse Peña kämpft mit einem Kampfgewicht von 61,5 Kilogramm und mag an seiner Sportart am meisten, dass sie so vielseitig ist. „Boxen ist nicht nur prügeln, es ist manchmal wie Schach“, sagt er. „Man muss vorausdenken, was der Gegner vorhat. Und man muss seinen Plan ständig anpassen.“


Am 26. Dezember will Angelo Peña beweisen, dass er sich ausgezeichnet auf seinen ersten Profikampf vorbereitet hat. Die Verletzung von Alain Chervet, der den Hauptkampf im Kursaal bestritten hätte, rückt ihn noch stärker in den Fokus. Für einen, der das Rampenlicht nicht scheut und so hohe Ziele verfolgt, dürfte das ein besonderer Ansporn sein.


Fabian Ruch


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