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Mouafo: Boxer zwischen Bern und der Weltbühne

Er trainiert, wenn seine Kinder schlafen, und steht im Ring, während andere Feierabend machen: Christopher Mouafo ist kein Boxer wie jeder andere. Spät zum Boxsport gekommen, hat sich der gebürtige Kameruner mit Wohnsitz in Biel Stück für Stück in die Weltspitze vorgearbeitet – trotz Familienalltag, Job und schwieriger Trainingsbedingungen. Doch wer Mouafo derzeit in der Schweiz boxen sehen will, wartet vergeblich: Der 29-Jährige verfolgt ein klares Karriereziel und lehnt Kämpfe ab, die ihn sportlich nicht weiterbringen. Statt Lokalduellen in Bern strebt er grosse Fights im Ausland an – weil seine Zeit jetzt gekommen ist.



Christopher Mouafo betrat den Profiring erstmals im Juni 2020, im Alter von 24 Jahren – ein Alter, in dem andere Talente schon zweistellige Profibilanzen vorweisen. Sein erster Trainer und Manager war Sascha Müller, nach dem ersten Erfolg wechselte er zu Leander Strupler und dessen Team von Swiss Pro Boxing. Seither absolvierte Mouafo innert gut zwei Jahren zwölf Profikämpfe, wovon er 11 gewann. Die bisher einzige Niederlage erlitt der 170 cm grosse Boxer aus Biel im April 2023 beim Kampf um die Schweizermeisterschaften im Superleichtgewicht gegen Bryan Fanga. Doch Mouafo zog seine Konsequenzen: Er schlug im April 2024 den bis dahin ungeschlagenen Sagar Chaudhary (10-0-1) klar nach Punkten und stieg ins Leichtgewicht (bis 61,2 kg) ab. Da folgte im September der grösste Erfolg: der Gewinn des WBO-Global-Titels gegen Jonniel Laurente aus den Philippinen. Ein dominanter Punktsieg über zehn Runden vor heimischem Publikum in der Mobiliar-Arena in Gümligen bei Bern. Im Februar 2025 erfüllte sich Mouafo einen persönlichen Traum: einen Kampf in Afrika, in Kigali (Ruanda). Vor rund 3000 Zuschauern besiegte er den Tanzanier Wazir Magombana einstimmig nach Punkten. Es war ein früher Höhepunkt eines intensiven Jahres – sportlich wie privat.


Balance zwischen Rolex und Ring

Mouafo lebt mit seiner Lebenspartnerin und zwei Kindern in Biel. Im April 2025 wurde er zum zweiten Mal Vater. Beruflich ist er beim Uhrenhersteller Rolex in einem 80-Prozent-Pensum angestellt. Trotz der Reduktion von vormals 100 Prozent bleibt der Alltag herausfordernd: Wohnungssuche, Umzug, familiäre Verpflichtungen – in den vergangenen Monaten war strukturiertes Training kaum möglich. „Ich versuche, alles unter einen Hut zu bringen“, sagt Mouafo. „Manchmal trainiere ich spätabends, wenn die Kinder schlafen.“ Für ihn ist das Boxen kein reines Selbstverwirklichungsprojekt, sondern Teil einer langfristigen Strategie: „Ich will mit dem Sport etwas aufbauen, auch für meine Familie.“


Freundschaft vor Expertise

Das sportliche Umfeld von Mouafo ist unkonventionell. Sein Haupttrainer Dean Celina verfügt über wenig Erfahrung im Profibereich, ist aber ein enger Vertrauter mit ähnlichem kulturellem Hintergrund. Auch Co-Trainer Alain Schöni ist jung, gilt aber als zuverlässig und loyal. Ein erfahrener Fachmann im Team ist Fitnesscoach Jacques Okie – bekannt für seine strukturierten Aufbaupläne – aber auch er, ist eher ein enger Freund, kein Angestellter. „Mein Team versteht mich, sie wissen, wie mein Kopf und mein Körper funktionieren, wann ich ans Limit gehen kann und wann ich regenerieren muss“, so Mouafo. Die Teamstruktur spiegelt eine Haltung wider, die im Profisport selten geworden ist: Vertrauen über Referenzen, Loyalität über Lebenslauf. Mouafo erklärt: „Ich brauche Leute, die mich kennen – nicht nur meine Schlaghand.“


Zwischen Realismus und Gottes Werk

In der aktuellen WBO-Weltrangliste belegt Mouafo Platz vier im Leichtgewicht – vor Boxern mit grossen Namen wie dem Olympiasieger Andy Cruz, dem Ex-Weltmeister Denys Berinchyk oder dem Amerikaner Lamont Roach Jr. Auf der Rangliste von BoxRec rangiert er auf Platz 140. Für einen Schweizer Boxer mit lediglich zwölf Profikämpfen und keiner klassischen Amateurkarriere ist das aussergewöhnlich. Mouafo selbst kommentierte die WBO-Platzierung auf Instagram mit den Worten: „Gods Work.“ Ein Ausdruck seines Glaubens – und ein Hinweis auf die Arbeit seines Managements. „Wir haben gezielt Kämpfe angenommen, die sportlich Sinn ergeben, aber auch vom Verband wahrgenommen werden“, sagt Leander Strupler. Technisch mag Mouafo nicht der versierteste Boxer seiner Klasse sein – dafür fehlt ihm eine jahrelange Schulung. Doch er gleicht dies durch Physis, Einsatz und taktische Disziplin aus. Elf Siege, eine Niederlage, über 50 Runden Kampferfahrung – das reicht aktuell für eine Position, von der andere träumen.


Karriereziel vor Lokalrivalität

Am 26. Dezember 2024, dem traditionellen Boxing Day in Bern, hätte es zur Revanche gegen Bryan Fanga kommen sollen. Doch Mouafo sagte den Kampf ab. Seine Begründung: „Ich boxe nicht für die Fans, sondern für meine Karriere. Ein Kampf gegen Fanga bringt mir aktuell nichts.“ Fanga steht in keiner der Top-Ten-Listen der grossen Verbände. Auch bei BoxRec liegt er leicht hinter Mouafo – allerdings im Superleichtgewicht, eine Kategorie über Mouafo. „Er soll absteigen und auch einen Titel gewinnen, dann bin ich bereit“, sagt Mouafo. Manager Strupler sieht das differenzierter: „Ein Rematch wäre für die Glaubwürdigkeit von Christopher wichtig. Aber momentan ist ein grosser Kampf im Ausland finanziell attraktiver. Die Wahl liegt beim Boxer.“ Ein internationaler Titelkampf in der Schweiz ist bei Mouafos Zuschauerzahlen nur mit neuen Sponsoren finanzierbar. Hinter den Kulissen wird über Kämpfe in den USA, England oder Saudi-Arabien verhandelt. Ein Rückkampf gegen Fanga bleibt ein Thema – nur nicht jetzt.


Vom Bieler in die Welt

Ab Juni 2025 sieht sich Mouafo bereit für diesen grossen Kampf im Ausland. Sein WBO-Ranking macht eine Weltmeisterschaft möglich – auch wenn sich dies bisher niemand auszusprechen traute. Sein Ziel aber formuliert er klar: „Ich will mich international behaupten. Nur in der Schweiz zu boxen, reizt mich nicht mehr.“ Der Fokus liegt auf weiteren Titelkämpfen – etwa um den Intercontinental-Gürtel oder einen WM-Ausscheidungskampf. Ob das gelingt, hängt nicht nur vom Sport ab. Sponsoren fehlen Mouafo bislang, die Trainingsbedingungen müssten verbessert werden. Und: die Familie muss mitziehen. Mouafo ist sich dessen bewusst. „Ich will meine Chance packen und ich weiss, dass ich sie jetzt bekommen werde.“

 
 
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