Seit Juni 2019 führt der Hamburger Nico Pommerenke die Zuschauenden als Ringsprecher durch die Boxveranstaltungen von Swiss Pro Boxing. Der 31-jährige Hamburger studierte Politikwissenschaft und ist Moderator, Kommentator sowie Unternehmer. Dank seinem breiten Tätigkeitsfeld arbeitete er bereits zusammen mit Jimmy Lennon Jr. und Angela Merkel.
Vor drei Jahren war Swiss Pro Boxing kurz davor, die deutsche Ringsprecher-Legende Ingo Rohrbach als neuen Ring Announcer zu engagieren. Aus familiären Gründen war dieser für den Anlass Boxen statt Theater 2019 verhindert. Du warst als Ersatzmann eingesprungen. Wie kam es dazu?
Ich erinnere mich noch genau daran, wie das Telefon geklingelt hat und mir Ingo Rohrbach, mit dem ich regelmässig zusammenarbeite, von der Idee erzählte. Ich wusste damals nichts über den Boxsport in der Schweiz. Die Idee mit dem Anlass im Theater reizte mich aber sehr, ich sagte sofort zu. Es war von Anfang an ein Abenteuer.
Wie hast du den Event in Erinnerung?
Ich erlebte einen Aha-Moment, als ich die Bühne für die Proben zum ersten Mal betrat. Einen Boxring in diesem Umfeld zu sehen, war etwas völlig Neues. Da habe ich bemerkt: Hier ist etwas ganz anders. Zudem erinnere ich mich an wunderschönes Wetter, gelbe Young-Boys-Meistertrams und dass ich mir am Tag nach dem Event beim Frühstück die Highlights des überraschenden Knock-out-Siegs von Andy Ruiz über Anthony Joshua anschaute.
In Deutschland moderierst du Grossveranstaltungen. Bei Boxkämpfen des Team Sauerland, welches heute zur Wasserman Media Group gehört, warst du als Moderator tätig. Wie erlebst du im Vergleich dazu die Anlässe in der Schweiz?
Leider nimmt das Interesse am Boxen in Deutschland seit dem Ende der Klitschko-Ära stetig ab. Die Grössenordnung ist aber immer noch eine andere. In Deutschland moderiere ich vor über 5000 Zuschauern. Die Präsenz der TV-Stationen macht sich im Setup und an den Kamera-Kränen stark bemerkbar. Im Vergleich ist in der Schweiz vieles eine Nummer kleiner. Mir gefällt aber die grosse Liebe zum Detail. Von der Organisation, über das Programmheft bis zum Event-Team, ich spüre hier viel Leidenschaft.
Der Ringsprecher ist ein Bestandteil jedes Box-Events. Er leitet die Zuschauenden vor Ort durch den Anlass und macht die Kämpfe durch seine Ansagen schmackhaft. Worauf legst du besonders Wert?
Der Ringsprecher ist nicht die entscheidende Person, das sind die Boxerinnen und Boxer. Ein Ringsprecher kann die Stimmung für die Zuschauenden sowie auch die Boxerinnen und Boxer steigern, wenn er die Kämpfenden angemessen in den Ring ruft. Vom Stil her bin ich nicht jemand, der übertreiben will. Ich versuche Energie zu erzeugen, brülle aber nicht bis mir die Augen herausfallen. Ich versuche, dem Gala-Anlass gerecht zu werden.
Hast du ein Ringsprecher-Vorbild?
Ohne Ingo Rohrbach wäre ich heute nicht der Ringsprecher, der ich bin. Jimmy Lennon Jr. ist mein internationales Vorbild. Im Jahr 2019 durfte ich ihn in Hamburg bei einer Veranstaltung persönlich kennenlernen. Er war als Ringsprecher für den Hauptkampf eingeflogen worden und ich war als Slow-Motion Operator für den Streaming-Sender DAZN im Einsatz. Bereits bei den Vorbereitung traf ich Jimmy Lennon Jr. und erlebte ihn als äusserst sympathischen Menschen.
Was gefällt dir am Job als Ring-Announcer?
Es ist eine Mischung aus meiner Liebe zum Sport, meiner Freude am Reden vor Leuten und dem speziellen Charakter von Box-Galas mit Scheinwerferlicht, Anzügen und der Ernsthaftigkeit des Sports. Am Boxen gefällt mir, dass konditionelle Stärke, Kraft, Taktik und Technik gefragt sind in Kombination mit der stetigen Gefahr von ernsten Verletzungen. Das vereint sonst keine Sportart.
Ringsprecher verfolgen bei ihren Ansagen eine Art Protokoll. Was kannst du uns darüber verraten?
Es gibt Unterschiede in den Ansagen. Ich habe meinen eigenen Ablauf. Wo ich genau auf das Protokoll achte, ist bei der Bekanntgabe der Resultate. Keiner möchte vor laufender Kamera einen falschen Sieger verkünden. Ich erinnere mich an den Boxing Day 2019, wo Alain Chervet dem Chinesen Ju Wu nach Mehrheitsentscheidung unterlag. Das Resultat war sehr knapp und die Punktrichter werteten unterschiedlich. Da musste ich ganz sicher sein, dass ich das richtig ansage.
Wie gehst du dabei vor, um ganz sicher zu sein?
Nach dem Sechs-Augen-Prinzip lasse ich mir die Punktwertungen vom Supervisor und auch vom Zeitnehmer bestätigen. Erst wenn ich mir ganz sicher bin, steige ich in den Ring. Bei einem K.o.-Sieg ist das etwas weniger heikel, obwohl auch da die genaue Zeit des K.o korrekt angesagt werden muss.
Du selbst gehörst mittlerweile zum Kern-Team von Swiss Pro Boxing, moderierst den Boxing Day und auch Boxen statt Theater. Du bist sozusagen die Stimme dieser Events. Was bedeutet dir das?
Es ist sehr unverhofft für einen jungen, norddeutschen Mann zu Boxveranstaltungen in der Schweiz dazuzugehören. Hätte mir das jemand vor ein paar Jahren vorhergesagt, hätte ich ihm nie geglaubt. Ich geniesse es immer nach Bern zu kommen, die bekannten Gesichter zu sehen. Damit meine ich nicht nur die Boxerinnen und Boxer, sondern auch alle Helferinnen und Helfer, das ganze Team. Mittlerweile kenne ich die Veranstaltungsorte, die Stadt, die Hotels. Es ist schön, sich im Ausland so zu Hause zu fühlen und ein Teil der Szene zu sein.
Du führst mit RUN Forward Media dein eigenes Unternehmen in Hamburg, arbeitest für den Nachrichtensender Sport1, produzierst für ARD und moderierst für Transfermarkt TV. Wie würdest du deine Haupttätigkeit beschreiben?
Das ist schwierig zu beantworten. Ich würde es breit formulieren: Ich arbeite im Film und Fernsehen. Als Autor, als Redakteur, als Filmer oder als Cutter – gefühlt habe ich in diesem Bereich schon jeden Job übernommen. Und das in unterschiedlichen Themengebieten wie Sport, Soziokultur und auch Politik. Im vergangenen November habe ich sogar mit Angela Merkel gedreht, ich war während zwei Stunden ihr Videograf. Das war ein besonderer Moment.
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft. Was können wir uns vom Boxsport erhoffen, insbesondere in Deutschland und der Schweiz?
Aktuell ist alles sehr auf die USA, Grossbritannien und Mexiko zugeschnitten. Die leichteren Gewichtsklassen sind zudem in Südostasien sehr populär. Was wir in Deutschland brauchen, sind Nachwuchstalente und Vorbilder. Es muss ernstzunehmende Athletinnen und Athleten geben. Erste Schritte in diese Richtung sieht man in der Schweiz. Peña und Martinez bringen auf ihre jeweils eigene Art Interessantes mit. Da bin ich sehr gespannt auf die weitere Entwicklung und hoffe, dass ich die zwei weiterhin begleiten darf.