Das neuste Teammitglied der Swiss Pro Boxing Boxpromotion heisst Christopher Mouafo. Wohnort Biel, geboren in Kamerun, drei Profikämpfe, drei Siege. Mehr wissen die meisten Boxfans in der Deutschschweiz noch nicht. Wir stellen den 170 Zentimeter grossen und 66 Kilogramm schweren Mann vor.
Foto: Thilo Larsson
Jugend in Jaunde: „Kompliziert!“
Wenn der am 8. Februar 1996 in Kameruns Hauptstadt Jaunde geborene Christopher seine Kindheitsjahre Revue passieren lässt, dann spricht er von einer „komplizierten Zeit“. Die Grundschule besuchte er nur sporadisch, kümmerte sich schon als kleiner Junge um seinen schwer kranken Vater. Mit zwölf Jahren erfolgte, zusammen mit seinen Schwestern, der Umzug in die Schweiz. Die Mutter wartete schon auf ihre Kinder. In Biel erlebten die Geschwister einen veritablen Kulturschock. „Saukalt war es damals, mein kamerunisches Französisch mit Akzent verstand kaum jemand, die Integration war nicht einfach“, reflektiert Christopher seine ersten Jahre in der Schweiz. Das sechste Schuljahr in einer Integrationsklasse half im Rückblick enorm. Nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit fand Christopher eine Lehrstelle in einem Restaurant. Doch die Kochlehre brach er nach eineinhalb Jahren ab. Die Arbeitszeiten in der Gastronomie und die Trainingszeiten beim FC Biel liessen sich schlecht aufeinander abstimmen. Im Fussball zeigte er in jungen Jahren durchaus Talent. Ob anfänglich bei Aurore Biel, dann bei Grünstern Ipsach und später beim FC Biel: „Als Mittelfeldspieler war ich durchaus ambitioniert“, blickt Christopher auf seine Kicker-Jahre zurück. Bei der Post absolvierte er schliesslich eine dreijährige Ausbildung zum Logistiker, welche er mit dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis abschloss. Nach einem Zwischenjahr und einem sechsmonatigen Intermezzo bei der Securitas als Nachtwächter, fand er auch beruflich wieder in die Spur. Heute arbeitet Christopher Mouafo beim Luxusuhrenhersteller Rolex mit einem 100-Prozent-Arbeitspensum.
Vom Rasen in den Ring
Das Boxen bekam Christopher nicht in die Wiege gelegt, kannte diese Sportart eigentlich gar nicht. Erst mit 23 Jahren, beim „Reinschnuppern“ im Box Club Biel, packte ihn die Leidenschaft und der Ehrgeiz zum Boxen. Und rasch wuchs die Erkenntnis: „Beim Fussball ist man immer auf seine Mitspieler angewiesen, im Boxring gewinnst oder verlierst du immer selbst.“ In der Folge erlernte der spätberufene Boxer den Faustkampf von der Pike auf. Patric Zanini, heute Präsident des Box Club Biel, machte Christopher mit dem Box-ABC vertraut. Schon bald löste er seine Boxlizenz, verliess in insgesamt 28 Amateurkämpfen den Ring 20 Mal als Sieger. Nachdem es 2019 zum „Champion Suisse Romand“ reichte, holte sich Mouafo nach einem Corona-Zwischenjahr 2021 den Schweizer Meistertitel.
Profi-Start geglückt!
Der Wechsel ins Profi-Lager im Sommer 2022 erwies sich für Mouafo als folgerichtig. Christopher, Kampfname „the Ruthless“, der Rücksichtslose, gewann nicht rücksichtslos, dafür aber bestimmt und kompromisslos: zweimal durch K.o., einmal durch Aufgabe des Gegners. Sein sportlicher Lebenstraums: „Mindestens ein Kampf in Las Vegas, oder aber ein WBC- oder WBA-Titelkampf. Ob ein Championnat francophone, die African Boxing Championships, ein EM- oder WM-Kampf: egal, jede Meisterschaft bringt mir Erfahrung und die Chance, ein nächst höheres Level zu erreichen“, blickt Christopher in die Zukunft. Unter vorgehaltener Hand gibt Mouafo gerne zu, dass es sein Ziel sei, innert Jahresfrist im Ranking unter den Top 40 zu sein. Unter der Leitung von Alix Bahlouli erfolgte die Eröffnung des Bieler Gyms „La salle du temps“, wo Christopher den Boxsport repräsentiert. Die Mitgliedschaft beim Box Club Biel hat er aufgekündigt, Gastrecht bei den Berner Boxing Kings geniesst Christopher alleweil. Gerade vor einem Kampf findet er dort mit Alain Chervet und Angelo Peña ideale Sparringpartner.
Trainingscamp in Monaco
Auf dem Weg nach ganz oben sind Trainingslager ein Muss. Instagram sei Dank, denn durch dieses soziale Netzwerk ergatterte Christopher im November ein einwöchiges Trainingscamp in Monaco. Trainiert von Profi-Box-Coach Jean Marc Toesca, galt der Aufenthalt an der Côte d’Azur primär der seriösen Vorbereitung seines Kampfs am Boxing Day 2022. Viele Sparringrunden mit Hassan N’Dam N’Jikam, einem Landsmann von Mouafo und ehemaligem WBO- und WBA-Weltmeister im Mittelgewicht, waren an der Tagesordnung. Der frühere Amateurboxer Dean Celina, heute Trainer im Berner Non-Profit-Verein „Boxen zur Bildung“, stand Christopher ebenfalls zur Seite.
Bald Doppelbürger
Christopher Mouafo lebt seit mehr als 14 Jahren in der Schweiz. Längst mit einer Niederlassungsbewilligung C ausgestattet, fühlt er sich als Kamerun-Schweizer. „Fifty-fifty ist es wohl etwa: Ich weiss, wo ich herkomme, wo meine Wurzeln sind, aber mittlerweile hat mir die Schweiz alles gegeben, was ich habe“, sinniert der hoffnungsvolle Fighter im Superleichtgewicht. Und dass er genau diese maximal 63,5 Kilogramm Kampfgewicht erreicht, dafür sorgt seine Freundin Stefany. Als angehende Ernährungsberaterin weiss sie genau, was, wann, wieviel und was keinesfalls ihr Freund futtern darf. Sind es Mitte November in der Vorbereitungsphase noch rund 66 Kilogramm, so wird es für Christopher kein Problem sein, am Boxing Day sein Kampfgewicht auf die Waage zu bringen – ohne zu hungern notabene. Nicht nur seine Ernährung hat Christopher voll im Griff. „Ebenso gut vermag ich mich gut und rasch auf den jeweiligen Gegner einzustellen, je m’adapte, ich passe mich an!“ Eine gewisse Portion Anpassungsfähigkeit braucht Christopher auch zur Erlangung der Schweizer Staatsbürgerschaft; im Frühjahr 2023 will er mit dem „Papierkrieg“ starten. Und, quasi als Schlusswort, vergisst Christopher Mouafo nicht anzumerken: „Ich glaube an Gott, ich glaube an meine Arbeit!“ Und Arbeit bedeutet für Christopher Boxen. Als Operator verdient er lediglich seinen Lebensunterhalt!
Heinz Heim
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