Ich will zeigen, was ich in Las Vegas gelernt habe
- Leander Strupler
- 10. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Seit gut einem Jahr lebt Angelo Peña seinen Traum als Profiboxer – kompromisslos, fokussiert, international. Der gebürtige Dominikaner, aufgewachsen in Bern, hat den sicheren Barista-Job gegen das ungewisse Leben im Ring eingetauscht. Im exklusiven Interview spricht der ungeschlagene Superfedergewichtler über seine Trainingszeit in Las Vegas, die Rolle seiner Verlobten Alissha, seine doppelte Identität – und die anstehende Titelverteidigung am 18. April im Berner Stadttheater.

Angelo, du hast vor gut einem Jahr mit 29 Jahren dein Berufsleben als Barista hinter dir gelassen, um dich voll auf den Boxsport zu konzentrieren. Wie sehr hat diese Entscheidung dein Leben verändert?
Es war eine Entscheidung fürs Boxen und hat bezüglich meiner sportlichen Karriere vieles besser gemacht. Die finanzielle Situation ist eine grosse Herausforderung, aber für meine sportliche Entwicklung war es der absolut richtige Entscheid.
Du verbringst viel Zeit im Ausland, insbesondere in den USA. Für deine dritte Titelverteidigung hast du dich erneut in Las Vegas vorbereitet. Warum hast du dich für diese Trainingsbasis entschieden?
Der Hauptgrund für meinen Wechsel nach Las Vegas ist die Salas Boxing Academy. Zudem ist Las Vegas generell und zurecht als das Mekka des Boxsports bekannt. Ich wollte dahin, wo die besten Boxer und die besten Gyms sind.
Dein Zuhause ist doch noch die Schweiz. Hier lebt deine Familie, auch deine Verlobte Alissha. Sie ist, wenn immer möglich, an deiner Seite, sei es im Alltag oder in der Vorbereitung. Wie wichtig ist ihr Support für dich – im und ausserhalb des Rings?
Die Unterstützung meiner Familie und vor allem meiner Verlobten ist enorm. Ich bin sehr diszipliniert, aber auch ich habe Tage, in denen mir die Dinge besonders schwerfallen. In diesen Momenten motiviert mich meine Verlobte und erinnert mich an meinen grossen Traum. Ohne sie könnte ich meinen Weg nicht gehen.
Dein US-Trainerteam rund um die Trainerlegende Ismael Salas hat einige der weltweit besten Boxer geformt. Experten erkennen auch bei dir eine sehr positive sportliche Entwicklung. Was macht dein Team so besonders?
Vor Ort im Gym arbeiten vier Vollzeittrainer, wovon jeder seinen Fokus hat. Einer prüft meine Defensive, ein anderer plant mein physisches Training. Ismael Salas selbst behält die Übersicht und ist ein Perfektionist.
Wie ist die Stimmung im Gym?
Der Vibe und die Aura sind genauso, wie es mich weiterbringt. Alle Boxer, die in der Salas Academy trainieren, sind Profiboxer. Viele meiner Trainingspartner sind dominikanische Landsmänner, vier Weltmeister trainieren vor Ort. Jeder ist hungrig! Wir Boxer unterstützen einander – Robeisy Ramirez gibt mir unter anderem Tipps für die Beinarbeit und Alberto Puello teilt mit den jungen Boxern seine Erfahrung.
Wie sah dein Fahrplan in der Vorbereitung auf deinen nächsten Kampf aus? Gab es bestimmte Aspekte, auf die du dich besonders konzentriert hast?
Im vorletzten Camp lag der Fokus auf der Defensive. Ich musste lernen, nicht immer anzugreifen und auch mal im Rückwärtsgang zu kontern. Da dieses Mal der Gegner frühzeitig bekannt war, konnten wir uns im Training und Sparring spezifisch auf ihn ausrichten.
Du sprichst den Kampf vom Karfreitag, dem 18. April, an. Wie genau vor einem Jahr wirst du wieder im Berner Stadttheater boxen. Wie fühlt sich für dich der Kontrast zwischen Las Vegas und dem Berner Stadttheater an?
Las Vegas ist meine neue Base, Bern ist mein Zuhause. Ich fühle mich an beiden Orten wohl. Ich freue mich immer besonders auf die Berner Zuschauer, die mich enorm unterstützen und denen ich zeigen will, was ich in Las Vegas gelernt habe. Auch wenn das Stadttheater etwas kleiner ist, geniesse ich die Stimmung dort besonders. Es ist eine einzigartige Location.
In der Schweiz bist du aktuell die grosse Boxhoffnung. Spürst du den Druck, eine Art Fritz Chervet 2.0 zu sein?
Ich spüre gar keinen Druck von aussen. Ich folge meinem Traum. Ich werde nie ein zweiter Fritz oder Alain Chervet werden, das will ich auch nicht. Ich bin Angelo, ich bin einfach mich selbst.
Du bist in der Dominikanischen Republik aufgewachsen, deine Eltern stammen von dort. Gleichzeitig wohnst und boxt du in der Schweiz. Wie erlebst du diese doppelte Identität, und wie würdest du den Schweizer Boxfans deine Emotionen erklären, die sich mehr patriotische Verbundenheit von dir wünschen?
Ich will keines der beiden Länder wichtiger als das andere stellen. Ich sehe das nicht als Entweder-oder, sondern bin stolz, beide Länder zu repräsentieren. Beide Länder sind für mich wichtig. Ich bin zu 100 % Dominikaner, das ist für mich eine Sache von Stolz und emotionaler Verbundenheit. Ich vergesse aber auch nie, dass ich den grössten Teil meines Lebens in der Schweiz verbrachte und dem Land und den Menschen viel zu verdanken habe.
Zurück zum Sport. Du stehst aktuell auf Platz 12 der WBO-Weltrangliste im Superfedergewicht. Was bedeutet dir dieses Ranking?
Das ist ein Zeichen dafür, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich möchte natürlich jetzt schon weiter oben auf der Rangliste stehen, aber alles benötigt seine Zeit.
Wie hast du es auf diese Position geschafft?
Mit Siegen im Ring und dem richtigen Management, das in mich investiert. Es ist ein Teamerfolg, alleine hätte ich das nicht geschafft.
Lass uns die Boxer, die bei der WBO aktuell noch vor dir positioniert sind, etwas genauer anschauen. Es fällt auf, dass die Nordamerikaner mit fünf und die Asiaten mit vier Athleten besonders stark vertreten sind. Liegt das an der mit 58,9 kg tiefen Limite deiner Gewichtsklasse, oder wie erklärst du diese Verteilung?
Das entspricht den grossen Boxländern. Dort sind die grossen Promotionen zu Hause und die Boxer, die Stadien füllen.
Neben den Nordamerikanern und Asiaten stehen zwei Australier und nur ein Europäer aus Grossbritannien vor dir. Wie erklärst du, dass du der einzige in Zentraleuropa lebende Boxer in dieser Rangliste bist?
Natürlich gibt es in Amerika einfach viele gute Boxer. Aber die US-Amerikaner sind auch effizienter, was die Rankings angeht. Sie boxen bewusst um die Titel der grossen Verbände, um sich nach oben zu arbeiten. In Europa beobachte ich, dass viel um EBU oder IBO Titel boxen, die zwar schön sind, aber keine direkte Wirkung auf die Rankings der grossen Weltverbände haben.
Repräsentativ zur Rangliste waren deine letzten zwei Gegner ein Japaner und ein in Kanada lebender Südkoreaner. Erkennst du bei asiatischen Boxern einen einheitlichen Stil?
Die zwei letzten Gegner waren tatsächlich ähnlich. In den Vorbereitungen organisierte mein Team entsprechende Sparrings mit Asiaten. Generell sind sie sehr ausgeglichen, sie sind hervorragend ausgebildet und haben kaum spezifische Schwächen, das macht sie unangenehm.
Zurück zur Analyse der Weltrangliste: Beim Vergleich der Kampfrekorde fällt auf, dass die Boxer vor dir durchschnittlich schon über 24 Kämpfe bestritten haben. Du bestreitest am 18. April erst deinen 12. Profikampf. Wie viele Kämpfe benötigst du, um realistische Chancen auf einen WM-Kampf zu erhalten?
Ich denke, ab 18 bis 20 Kämpfen liegt das drin. Vielleicht könnte es mit einem riskanten Elimination-Kampf gegen einen Top 5 Mann auch etwas früher möglich werden.
Ganz oben auf der WBO-Rangliste, da wo du hinwillst, steht der aktuelle Weltmeister, der in den USA lebende Mexikaner Emanuel Navarrete. Ist er ein Wunschgegner für dich?
Klar, er hat den Titel, den ich will. Der Name spielt für mich aber keine grosse Rolle. Ich will gegen jeden boxen, der einen WM-Gurt eines grossen Verbandes trägt.